Presseschau: Wie sich die Stadt weiter entwickelt
Darmstadt wächst seit Jahren, stößt jedoch an Grenzen / Experten fordern ein intelligentes Flächenmanagement. Ein Beitrag im Darmstädter Echo
17.12.2024 von Birgit Femppel
Plus 13 Prozent an Bevölkerung in zehn Jahren, das sind fünf Menschen mehr pro Tag, rechnet der Banker vor. Das in einer Stadt, die sich nicht weiter ausdehnen kann. Deshalb, sagt Martiné, müsse Wachstum aktiv gestaltet werden. Es brauche nicht nur bezahlbaren Wohnraum, sondern auch Gewerbeflächen – und die entsprechende Infrastruktur. „Das erfordert außerordentlich intelligentes Flächenmanagement“, stellt er fest.
Darmstadt ist in letzter Zeit in diversen Rankings aus den Top Ten, wenn nicht gar aus den Top 20 geflogen, egal ob bei der Dynamik, der Digitalisierung oder beim Carsharing. Daher klingt diese Einschätzung des IHK-Präsidenten und Volksbank-Chefs Matthias Martiné erfreulich: „Die Region zählt zu dynamischsten Standorten, hat viele Menschen und Unternehmen neu angezogen“, sagt er beim Heuer-Immobilien-Dialog, einem Treffen von Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Nur Leipzig sei stärker gewachsen als Darmstadt.
Plus 13 Prozent an Bevölkerung in zehn Jahren, das sind fünf Menschen mehr pro Tag, rechnet der Banker vor. Das in einer Stadt, die sich nicht weiter ausdehnen kann. Deshalb, sagt Martiné, müsse Wachstum aktiv gestaltet werden. Es brauche nicht nur bezahlbaren Wohnraum, sondern auch Gewerbeflächen – und die entsprechende Infrastruktur. „Das erfordert außerordentlich intelligentes Flächenmanagement“, stellt er fest.
Überregulation verteuert Bauprojekte
Dazu „Mut und Entschlossenheit, Dinge anders zu denken.“ Und ein gerüttelt Maß an Deregulierung. Ein deutlicher Ausbau des ÖPNV-Schienenverkehrs sei deshalb nicht erfolgt, weil das bundesdeutsche Genehmigungsrecht ein Verhinderungsrecht geworden sei, sagt Martiné. Die von der hessischen Landesregierung gestartete Entbürokratisierung sei ein erster guter Schritt.
Der Darmstädter Stadtplanungsdezernent Michael Kolmer kann dem nur zustimmen. Denn zu den gestiegenen Baukosten, der Inflation, den wachsenden Rohstoffpreisen und den Personalproblemen komme das Problem der Überregulation, das Bauen insgesamt noch zusätzlich verteuert. „Wir haben Tausende von Bauprojekten, die auf Hold gestellt sind, weil Bauen zu teuer ist“, stellte er fest. Es gebe 20.000 baurelevante Vorschriften und Richtlinien. Die DIN-Norm: „Ein deutscher Exportschlager, der zum Fetisch mutiert ist.“ Sie verlangsamt nicht nur das Bauen, sondern schafft auch Gleichförmigkeit: „Aus 20.000 Richtlinien kommt ein einziges Haus raus, die sehen alle gleich aus.“
Dass die Landesregierung die Bürokratisierung des Bauens entschlacken will, begrüßt der Darmstädter Planungsdezernent. „Aber ich finde nicht gut, dass die Kommunen bislang nicht gefragt worden sind.“ Wie soll verschlankt werden, ohne die, die es umsetzen müssen? „Es macht keinen Sinn, Richtlinien vermeintlich zu verschnellern, indem man die kommunale Planungshoheit infrage stellt.
Andere Länder kommen völlig ohne Normung von Trittschall, Steckdosenanzahl in Zimmern oder Verkabelungswegen aus, sagt Kolmer. Und mit anderen Formen des Brandschutzes. “Der hat eine sehr andere Entwicklung genommen als in sehr sicheren Nachbarländern wie Holland oder Schweiz.„
Das intelligente Flächenmanagement, das IHK-Präsident Martiné für das wachsende Darmstadt fordert, erfordere Nachdenken über Konversionen, die über Kasernenflächen hinausgehen, und Kooperation in der Region. Am Ende eines langen, von der Wachstumsdebatte Darmstadts geprägten Jahres, hat die Stadt erst kürzlich gemeinsam mit Weiterstadt bekundet, ein gemeinsames Gewerbegebiet entwickeln zu wollen.
Wachstum betrifft nicht alleine Wohnungsbau und Gewerbeflächen bekräftigt Kolmer. Es geht auch um Verkehrsinfrastruktur, um den Ausbau von Glasfasernetzen und von Wämenetzen. “Das ist nicht nur eine stadtplanerische Herausforderung, das heißt auch Flächenbedarf.„ Dafür brauche es eine Strategie und nicht das Windhundprinzip, “der Letzte muss das Trafohäuschen bauen„.
Wie Zukunftsinfrastrukturen gelingen
Intelligentes Wachstum heißt Vernetzung, auch der Funktionen, das betonen Hans-Joachim Linke von der TU Darmstadt und Sabrina Müller vom Immobilienberater Drees & Sommer. Infrastruktur sei immer ein System, das inneren und äußeren Einflüssen ausgesetzt sei. Veränderungsdruck lösen der Klimawandel aus, die Demografie, der technologische Fortschritt, aber auch geopolitische Entwicklungen.
Jede Veränderung habe eine Wechselwirkung und damit Einfluss aufs Ganze. “Man kann keinen Teil ohne den anderen betrachten„, sagt Sabrina Müller. Das macht zukunftsfähige Infrastrukturen so komplex. Was vormals nur durch Technik zu lösen war, erfordert heute eine ganzheitliche Betrachtung der ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Aspekte.
Der Weg zu zukunftsfähigen Infrastrukturen liegt für Linke und Müller nicht “in der fertigen Lösung, die man überstülpen kann", sondern in der Zusammenarbeit zwischen Bürgern, Unternehmen, Innovatoren, Investoren und Politikern. Bis 2040 sollen in Darmstadt nochmal 24.000 Einwohner dazukommen. Viel Kommunikationsbedarf.