Presseschau: Warum die Baubranche jetzt Tech-Profis braucht

Ein Bericht auf hitech-campus.de

17.10.2025

KI revolutioniert Planungsprozesse, Building Information Modeling als Methode, optimiert Bauprojekte und IoT-Sensoren überwachen Baustellen in Echtzeit – die Baubranche durchlebt eine digitale Revolution. Für MINT-Absolventen eröffnen sich völlig neue Karrierewege. Ein ­Interview mit Prof. Christian Hofstadler von der TU Darmstadt über eine Branche, die digitale Talente sucht.

Wie schätzen Sie die aktuelle Lage in Deutschland in Bezug auf Wohnraumbedarf und Infrastruktur ein – und wo sehen Sie die dringendsten Handlungsfelder für die nächsten Jahre?

Die aktuelle Lage ist von einer großen Diskrepanz geprägt: Während es auf der Nachfrageseite einen sehr hohen Bedarf an Wohnraum und funktionsfähiger Infrastruktur gibt, ist auf der Seite der Anbietenden ein dramatischer Einbruch der Kapazitäten zu verzeichnen. Diese Krise, die sowohl den Wohnungsbau als auch den Infrastruktursektor betrifft, wird durch eine Kombination aus vier Kernproblemen befeuert:

die angespannte Finanzierungslage, geprägt von begrenzten Mitteln und stark gestiegenen Zinsen, die trägen und überbürokratisierten Genehmigungsverfahren, den allgegenwärtigen Arbeits- und Fachkräftemangel, der die gesamte Wertschöpfungskette lähmt, sowie die fehlenden Planungskapazitäten, die zu Engpässen in der Realisierung – insbesondere von Infrastrukturprojekten – führen.

Angesichts des Bedarfs an neuem Wohnraum sowie der Instandhaltung und dem Ausbau von Infrastruktur stoßen die traditionellen, personalintensiven Bauweisen zunehmend an ihre Grenzen. Neben einem Abbau administrativer Hürden liegt das dringendste Handlungsfeld somit darin, dass nicht nur „mehr“, sondern in erster Linie „anders“ gebaut werden muss. Wie ich in meinem Buch „Modellierung und digitale Transformation in Baubetrieb und Bauwirtschaft“ herausgearbeitet habe, liegt der Schlüssel in einer systemischen Modellierung und zielgerichteten Digitalisierung. Diese braucht es, um Bauprojekte als komplexe Produktionssysteme zu verstehen und ganzheitlich – vor allem im Hinblick auf ökologische und soziale Nachhaltigkeit – zu optimieren.

Angesichts des Arbeits- und Fachkräftemangels gilt es mehr denn je, die Effizienz zu steigern, um Kosten zu senken und die Produktivität zu erhöhen. Die Digitalisierung ermöglicht eine präzise Planung und Erfassung des Ressourcenverbrauchs bzw. vor allem des CO2– Ausstoßes, um eine klimagerechte Bauweise zu schaffen. Nicht zuletzt wird durch effizientere Methoden auch die soziale Verträglichkeit von Bauprojekten verbessert: Bezahlbarer Wohnraum wird schneller geschaffen, lebenswichtige Infrastruktur zügiger modernisiert und die Belastung durch Baumaßnahmen für die Gesellschaft reduziert. Die Baubranche steht jedenfalls an einem kritischen Wendepunkt. Die Bewältigung dieser Herausforderungen erfordert nicht nur ein grundlegendes Umdenken in den Bauprozessen selbst, sondern vor allem entschlossene politische und administrative Reformen, um die vorgelagerten Blockaden zu beseitigen. Eine besondere Bedeutung kommt dabei dem Bauen im Bestand und der Kreislaufwirtschaft zu, um angesichts bereits gegenwärtig knapper Ressourcen bestehende Bausubstanzen durch Revitalisierung für neue Nutzungen zu erschließen.

Welche Entwicklungen erwarten Sie konjunkturell in der Baubranche, und welche Auswirkungen haben aktuelle Infrastrukturpakete der Bundesregierung auf zukünftige Bauprojekte?

Konjunkturell ist die Lage in der Baubranche jedenfalls als volatil zu bezeichnen. Die langfristigen Perspektiven sind durch den unabweisbaren Modernisierungs- und Neubaubedarf allerdings gesichert. Von entscheidender Bedeutung für die zukünftige Entwicklung ist, dass Investitionen zunehmend an technologische und nachhaltige Bedingungen geknüpft werden. Aktuelle Infrastrukturpakete der Bundesregierung wirken dabei als Katalysatoren für eine digitale Transformation der Branche. Sie sind mehr als nur Finanzspritzen; sie sind ein Motor der Modernisierung. Indem bei großen öffentlichen Bauvorhaben die Implementierung digitaler Methoden wie Building Information Modelling (BIM) gefordert wird, erfährt die gesamte Prozesskette eine weitgehend durchgängige Informationsverarbeitung ohne Medienbrüche. Zusätzlich wird dadurch die Entwicklung leistungsfähiger digitaler Werkzeuge gefördert. Dies führt zu einer tiefgreifenden strukturellen Veränderung, denn eine zunehmend datengetriebene, kollaborative Arbeit erfordert neue, kooperative Vertragsformen wie die Integrierte Projektabwicklung oder Allianzmodelle. Es müssen Vertragsmodelle entwickelt werden, die an die neuen Rahmenbedingungen angepasst sind. Das gilt nicht nur für große, sondern insbesondere auch für die weitaus zahlreicheren kleinen und mittleren Projekte. Solche Vertragsmodelle fördern eine offene Zusammenarbeit und ein gemeinsames Risikoverständnis. Gleichzeitig wird die Fähigkeit, Daten zu managen, zu teilen und zu schützen, zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Unternehmen, die in eine sichere und interoperable digitale Infrastruktur investieren, werden langfristig erfolgreich sein. Die zentrale Herausforderung besteht somit darin, die bereits vorhandenen, aber nur partiell angewandten Methoden wie die BIM-Methode flächendeckend zu implementieren und die damit verbundenen Schnittstellenprobleme zu lösen.

Wenn Sie an die Baustellenpraxis denken: Welche technologischen Entwicklungen helfen heute schon konkret dabei, Bauprojekte schneller oder nachhaltiger umzusetzen?

In der Baustellenpraxis sehen wir bereits heute konkrete Anwendungen, die einen enormen Mehrwert liefern, indem sie Daten in handlungsleitende Erkenntnisse umwandeln. Eine zentrale Rolle spielt dabei die schon erwähnte BIM-Methode, die weit mehr ist als nur ein 3D-Modell. Sie fungiert als zentrale Datenbasis, die eine integrierte und transparente Planung sowie Ausführung ermöglicht. Obwohl eine flächendeckende Anwendung noch aussteht, ist sie sicherlich eine der fortschrittlichsten Entwicklungen, die in den letzten Jahren verstärkt Einzug in der Branche gehalten haben. In der Praxis führt die BIM-Methode zu einer präziseren Mengenermittlung, besseren Kollisionsprüfung und fundierteren Grundlage für die Bauabwicklung. Zudem werden Abstimmungen zwischen den Fachplanungen früher durchgeführt als in Projekten ohne BIM, wodurch es möglich wird, Umplanungen und Umbauten effizienter durchzuführen, Fehler in der Ausführung zu reduzieren und Ressourcen einzusparen. Darüber hinaus ermöglichen IoT-Sensoren und polysensorale Systeme in zunehmendem Maße die Echtzeitüberwachung von Bauprozessen. Ein konkretes Praxisbeispiel hierfür ist das Projekt DIGICOPRO (DIGItalised COncreting PROcesses), bei dem solche Systeme genutzt werden, um Betonierprozesse präzise zu überwachen. Dadurch können Entscheidungen auf einer soliden, objektiven Datenbasis getroffen werden, was wiederum die Effizienz und Sicherheit erheblich steigert. Ein weiteres Beispiel für einen Schritt hin zu mehr Nachhaltigkeit aufgrund technologischer Entwicklungen ist das detaillierte Monitoring des Energieverbrauchs zur Identifizierung von Einsparungspotenzialen. Zunehmend an Bedeutung gewinnen auch digitale Baustellenmanagement-Tools und KI-Assistenzsysteme. KI-gestützte Chatbots, die mit bauspezifischen Regelwerken wie VOB und DIN-Normen, Vertragsunterlagen sowie internem Unternehmenswissen trainiert sind, agieren bereits heute als wertvolle (interne) digitale Assistenten. So können Bauleiter*innen beispielsweise direkt auf der Baustelle per Spracheingabe technische Fragen klären. Ebenso können solche Systeme sogar an Software für die BIM-Methode angebunden werden, um automatisch Mengen zu ermitteln und Ausschreibungstexte vorzuschlagen. Ergänzend ist in der Anwendung von Augmented Reality (AR) großes Potenzial zu verorten, indem damit z.B. digitale Planungsdaten direkt vor Ort in der realen Umgebung visualisiert werden. Dies unterstützt die Überprüfung des Baufortschritts, hilft bei der frühzeitigen Erkennung von Planungs- bzw. Ausführungsfehlern und verbessert die Kommunikation zwischen den Gewerken. Die beispielhaft genannten Technologien sind keine reine Zukunftsmusik, sondern werden bereits in Pilotprojekten eingesetzt. Es ist davon auszugehen, dass diese in Deutschland zukünftig auch vermehrt ihren Weg in den Regelbetrieb finden werden, um Bauprozesse effizienter und datenbasierter zu gestalten.

Wie bereiten Sie Ihre Studierenden auf die Anforderungen der Baubranche von morgen vor, und welche Kompetenzen sind dabei besonders wichtig?

Es braucht eine grundlegende Abkehr von der reinen Wissensvermittlung in Silos. Das Ziel muss es sein, ein vernetztes System- und Prozessverständnis zu fördern und die interdisziplinären Fähigkeiten der Studierenden zu stärken. Die Hochschulausbildung muss sie dazu befähigen, die „techno-soziale Arbeitswelt“ der Zukunft aktiv mitzugestalten. Dabei ist eine Vielzahl von Kompetenzen von besonderer Bedeutung. Die zentralste Grundlage ist wohl das systemische Denken, also ein umfassendes Verstehen der Prozesse und ihrer Interdependenzen innerhalb des komplexen Produktionssystems Baustelle. Ohne dieses Basiswissen kann auch die Digitalisierung des Baubetriebs keinen wesentlichen Nutzen entfalten, weshalb Studierende lernen müssen, in vernetzten Zusammenhängen zu denken. Darauf aufbauend sind eine ausgeprägte digitale Kompetenz und ein tiefes Verständnis für Datenmanagement essenziell. Hierbei geht es nicht nur darum, Software bedienen zu können. Zukünftige Ingenieurinnen und Ingenieure müssen vielmehr verstehen, wie ein Digitalisierungsdrehbuch (DDB) entwickelt wird – also ein strategischer Plan, der festlegt, welche Prozesse auf welche Weise digitalisiert werden und welcher Rahmenbedingungen es dazu bedarf. Sie müssen in Anbetracht der immer größer werdenden Datenmengen lernen, relevante von unwesentlichen Daten bzw. Informationen zu unterscheiden und die Prinzipien der Datensicherheit sowie des Datenaustauschs zu beherrschen. Ein weiterer entscheidender Faktor, den es bereits im Studium zu vermitteln gilt, ist die interdisziplinäre Kollaboration. Die Zukunft liegt im Zusammenspiel von menschlicher Intelligenz und maschineller Präzision (Stichwort: Human-Machine Teamplay), weshalb Studierende lernen müssen, effektiv mit Fachexpert*innen aus unterschiedlichsten Bereichen zusammenzuarbeiten – so z.B. der IT, der Robotik, den Rechtswissenschaften oder auch den Betriebswissenschaften. Die Fähigkeit, in interdisziplinären Teams zu agieren, ist entscheidend. Zusätzlich benötigen Studierende angesichts der sich rasant verändernden Baubranche Kompetenzen im Bereich Change-Management. Dies umfasst die Fähigkeit, agil und flexibel auf unvorhergesehene Ereignisse zu reagieren sowie Veränderungsprozesse in Unternehmen aktiv mitzugestalten. Ein praxis- und zukunftsorientierter Ansatz, bei dem Studienangebote in enger Abstimmung mit den Anforderungen der Bauwirtschaft entwickelt werden, ist essenziell, um die zukünftigen „Engpassressourcen“ gezielt zu vermitteln.

Welche Rolle wird Künstliche Intelligenz künftig im Bauwesen spielen – von der Planung über die Baustelle bis hin zum Gebäudebetrieb?

Künstliche Intelligenz (KI) wird meines Erachtens nach die gesamte Wertschöpfungskette „Bau“ fundamental verändern. Sie ist ein zentraler Bestandteil meines Konzepts des „Baubetriebs 5.0“ – einer neuen Evolutionsstufe des Bauwesens, in der Mensch und Technologie als Team agieren. Naturgemäß wird die systematische Verbreitung von KI im Bauwesen – ausgehend von einzelnen Leuchtturmprojekten bis hin zur vermehrten Anwendung in der Praxis – noch einige Jahre in Anspruch nehmen, allerdings zeichnen sich schon jetzt Entwicklungen ab:

In der Planung wird generative KI zukünftig eine Vielzahl von Entwurfsvarianten unter Berücksichtigung von Kosten, Nachhaltigkeit und Baubarkeit erstellen können. Die Rolle des Menschen verlagert sich dabei weg von der mühsamen Erstellung hin zur strategischen Bewertung, Analyse, Auswahl und Optimierung von Lösungen. KI-Systeme können zudem komplexe Datenanalysen durchführen, um Risiken, wie zum Beispiel jene des Baugrunds, besser zu prognostizieren.

Auf der Baustelle selbst birgt KI das Potenzial, als intelligenter Assistent zu fungieren – vorausgesetzt, sie wurde umfassend von erfahrenen Expert*innen trainiert. KI-gestützte Dashboards werden Bauprozesse in Echtzeit überwachen, proaktiv auf Abweichungen hinweisen und auf Basis von maschinellem Lernen Prognosen zu Zeitplänen und Kosten liefern. Die bereits von mir erwähnten KI-Chatbots können zu wissenden Helfern werden, die auf der Baustelle unmittelbar präzise Informationen liefern. Auch die Steuerung von autonomen Baumaschinen und Robotern wird durch KI ermöglicht.

Im Gebäudebetrieb liegt eines der größten Potenziale des KI-Einsatzes. Hier werden durch KI gemanagte Digitale Zwillinge, die permanent mit Echtzeitdaten aus IoT-Sensoren gespeist werden, eine vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance) ermöglichen, den Energieverbrauch optimieren und eine flexible, bedarfsgerechte Nutzung von Gebäuden erlauben.

Ganz allgemein wird sich durch den Einsatz von KI die Rolle des Menschen im Bauwesen wandeln: weg von repetitiven Routineaufgaben hin zur Überwachung, Validierung und Steuerung der KI-Systeme. Menschliches Urteilsvermögen und ethische Reflexion bleiben somit unersetzlich, insbesondere da KI-Modelle auch Fehler machen oder Inhalte „halluzinieren“ können. Eine kontinuierliche Überprüfung sowie kritische Reflexion durch menschliche Fachexpert*innen bleibt unerlässlich. Ebenso muss darauf hingewiesen werden, dass mit der zunehmenden Autonomie und tiefgreifenden Integration von KI-Systemen unweigerlich die Bedeutung klarer rechtlicher und ethischer Rahmenbedingungen wächst (Stichwort: Robotergesetze). Initiativen wie der AI Act der Europäischen Union schaffen hierfür eine entscheidende Grundlage. Ein solch risikobasierter Ansatz ist für das Bauwesen enorm wichtig, da er hilft, klare Governance-Strukturen und Verantwortlichkeiten zu etablieren. Es muss eindeutig nachvollziehbar sein, welche Entscheidungen von einer KI getroffen wurden und wer die letztendliche Haftung trägt. Diese rechtlichen Leitplanken sind keine Innovationsbremse, sondern eine notwendige Voraussetzung, um Vertrauen in die Technologie zu schaffen und ihren sicheren, transparenten und verantwortungsbewussten Einsatz in der Bauwirtschaft zu gewährleisten. Neben ethischen und rechtlichen Aspekten ist beim großflächigen Einsatz von KI insbesondere der erhebliche Energiebedarf zu berücksichtigen. Dieser entsteht primär durch den Bau und Betrieb von Rechenzentren. Eine wirklich nachhaltige Transformation der Baubranche muss daher auch diesen Aspekt berücksichtigen und auf energieeffiziente digitale Lösungen setzen.

Wohnraum ist eine der zentralen sozialen Fragen unserer Zeit. Wo sehen Sie die größten Potenziale, mehr Wohnungen zu schaffen – und welche Hemmnisse müssen dabei überwunden werden?

Wie schon eingangs erläutert, ist die Schaffung von mehr leistbarem Wohnraum untrennbar mit einer Effizienzsteigerung und Forcierung der Kreislaufwirtschaft in der Bauproduktion verbunden. Das größte Potenzial liegt hierbei in der Industrialisierung des Bauens durch serielles und modulares Bauen, welches jedoch nur durch eine durchgängige digitale Prozesskette realisierbar ist. Die ebenfalls bereits erwähnte BIM-Methode liefert jene präzisen Daten, die für eine automatisierte Vorfertigung von Bauteilen wie Wänden, Decken oder Einbaumodulen (z.B. Badmodulen) notwendig sind. Dies verkürzt die Bauzeit vor Ort drastisch, reduziert Fehler und erhöht die Qualität. Ein weiteres enormes Potenzial liegt in der Optimierung der Prozesse, indem die gesamte Wertschöpfungskette – von der Planung über die Logistik bis zur Montage – systematisch analysiert und digitalisiert wird. Die Nutzung digitaler Baustellenmanagement-Tools in Kombination mit einer datengestützten Logistikplanung ist hierfür entscheidend. Zudem schaffen kooperative Vertragsmodelle wie Allianzverträge einen Rahmen, in dem alle Projektbeteiligten gemeinsam an einem Ziel – der schnellen, ökologisch nachhaltigen und kostengünstigen Schaffung von Wohnraum – arbeiten, anstatt sich in zeitraubenden Konflikten zu verlieren.

Den genannten Potenzialen stehen jedoch erhebliche Hemmnisse gegenüber. Dazu zählt vor allem die derzeit noch stark fragmentierte „digitale Baulandschaft“. Die Baubranche gilt als vergleichsweise wenig digitalisiert. Fehlende Interoperabilität zwischen verschiedenen Softwaresystemen, ungelöste Schnittstellenprobleme und der Umstand, dass die BIM-Methode lediglich partiell genutzt wird, verhindern eine durchgängige digitale Prozesskette. Hinzu kommen der Arbeits- und Fachkräftemangel sowie der notwendige kulturelle Wandel: Die Umstellung auf digitale und serielle Bauweisen erfordert ein tiefgreifendes Umdenken in den Unternehmen und bringt einen massiven Schulungsbedarf mit sich. Derzeit fehlt es an Fachkräften, die sowohl über bautechnisches als auch digitales Know-how verfügen. Schließlich stellen auch die regulatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen eine große Hürde dar, da langwierige, oft noch analoge Genehmigungsverfahren sowie starre Bauvorschriften nicht auf die Agilität serieller Bauweisen ausgelegt sind. Es bedarf also einer Weiterentwicklung der juristischen Rahmenbedingungen, um datengetriebene Prozesse rechtssicher abzubilden.

Welche fachlichen und persönlichen Fähigkeiten sind entscheidend, um in der Baubranche erfolgreich zu sein?

Zentral ist folgende Kombination: ein solides Fundament in Form eines umfassenden Basiswissens sowie eine zukunftsorientierte Offenheit. Zu den entscheidenden fachlichen Fähigkeiten gehört zuallererst ein tiefgehendes baubetriebliches und bauwirtschaftliches Grundverständnis. Die beste Technologie ist nutzlos, wenn das Verständnis der Kernprozesse fehlt. Diese fundierten Basiskenntnisse sind also die unabdingbare Voraussetzung für jedwede Optimierung. Darauf aufbauend ist eine ausgeprägte digitale und datenanalytische Kompetenz gefragt, die über die bloße Anwendung von Software hinausgeht und ein ausgeprägtes Verständnis für Datenstrukturen, Prozessmodellierung, Interoperabilität, Konnektivität und Datensicherheit erfordert. Ergänzt wird dieses Verständnis idealerweise durch interdisziplinäres Wissen, da erfolgreiche Fachkräfte die Grundlagen angrenzender Disziplinen wie Change-Management, Vertragsrecht und Nachhaltigkeitsmanagement verstehen müssen.

Neben diesen fachlichen Qualifikationen sind persönliche Fähigkeiten natürlich von ebenso großer Bedeutung, denn ein wertschätzender Umgang mit allen beteiligten Menschen bildet das Fundament aller anderen Kompetenzen. Ebenso stehen Neugier und Lernbereitschaft an vorderster Stelle. Da sich die Branche in einem tiefgreifenden Wandel befindet, ist „lebenslanges Lernen“ nicht bloß ein Schlagwort, sondern unabdingbare Realität. Problemlösungskompetenz und Agilität sind zentrale Erfolgsfaktoren, um flexibel auf die häufig nicht vorhersehbaren Herausforderungen von Bauprojekten reagieren zu können. Auch exzellente Kollaborations- und Kommunikationsfähigkeiten sind unerlässlich, um komplexe Sachverhalte verständlich zu kommunizieren und in interdisziplinären sozio-technischen Teams erfolgreich zu sein. Schließlich sind mit der zunehmenden Bedeutung von Daten und KI-Systemen auch ethische Reflexion und ein Bewusstsein für die Konsequenzen des eigenen Handelns wichtiger als je zuvor.

Stellen Sie sich vor, ein Studierender fragt Sie direkt: Warum lohnt es sich, Teil dieser Branche zu werden? Was würden sie antworten?

In zwei kurzen Sätzen ausgedrückt, würde ich Folgendes antworten: Weil Sie in kaum einer anderen Branche die Chance haben, die Zukunft so aktiv, direkt, sichtbar und nachhaltig mitzugestalten. Sie sind nicht nur Zeugin bzw. Zeuge von Veränderungen, sondern zentraler Akteur oder zentrale Akteurin in der Gestaltung einer prosperierenden Zukunft.

In einer etwas ausführlicheren Variante, würde ich ergänzen, dass es sich aus drei zentralen Gründen lohnt:

Erstens: Zur Leistung eines gesellschaftlichen Beitrags. Sie arbeiten an der Lösung der drängendsten Fragen unserer Zeit mit. Sie schaffen den Wohnraum, den Menschen brauchen, planen bzw. bauen die Infrastruktur, die unsere Gesellschaft verbindet, und gestalten eine nachhaltige, lebenswerte Umwelt. Ihre Arbeit hat einen realen, greifbaren, positiven Einfluss.

Zweitens: Wegen der Innovation und des Pioniergeistes. Vergessen Sie das Bild der verstaubten, konservativen Baubranche. Sie steigen an einem spannenden Wendepunkt ein, an dem die Digitalisierung des Bauwesens – von der BIM-Methode über das Internet of Everything (IoE) bis hin zu KI – gerade erst beginnt, ihr volles Potenzial zu entfalten. Sie können Pionierarbeit leisten und mit gestalten, wie wir in Zukunft planen, bauen und leben. Die Branche braucht Ihre Kreativität und Innovationskraft dringend, um diese neuen Technologien zu lenken.

Drittens: Aufgrund der Herausforderung und des persönlichen Wachstums. Bauprojekte sind komplexe, dynamische und anspruchsvolle Unterfangen. Sie werden täglich gefordert, kreative Lösungen für unerwartete Probleme zu finden. In diesem Zusammenspiel aus menschlicher Intelligenz und digitaler Präzision werden Sie im Baubetrieb 5.0 nicht nur Bauwerke errichten, sondern auch Ihre eigenen Fähigkeiten kontinuierlich weiterentwickeln.

Dabei sollten Sie immer im Hinterkopf behalten: Es ist besser, die Digitalisierung mitzugestalten, als von ihr gestaltet zu werden. Besonders im Kontext des Baubetriebs 5.0 wird es Ihre Aufgabe sein, eine interdisziplinäre und sachgerechte Projektvorbereitung als Fundament des Erfolgs sicherzustellen. Nur wenn Sie digitale Effizienz und menschliche Weisheit gezielt miteinander verknüpfen, können Sie gewährleisten, dass das Bauwesen zukunftsfähig bleibt. Vergessen Sie nie: Die Digitalisierung ist kein Selbstzweck – ihr Erfolg misst sich daran, wie sie zur gemeinschaftlichen Wertschöpfung beiträgt. Dabei sollte uns folgender Leitsatz als Kompass dienen: „Ohne soziale und ökologische Wertschätzung erfolgt keine dauerhafte Wertschöpfung!“

Lesen Sie den Artikel, der auf hitech-campus erschienen ist, hier im Original.